Richtig gendern: mehr als nur Gendersternchen!

An der Thematik des Genderns ist die vergangenen Jahre wahrscheinlich niemand vorbeigekommen. Dennoch ist die Debatte nicht erst Ergebnis der Online-Aktivismus-Bubble, bereits in den 1980ern wurden erste Richtlinien für den Gebrauch von gendersensibler Sprache von Sprachwissenschaftlerinnen veröffentlicht. In diesem Blogbeitrag erfahrt Ihr, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Arten gendersensibler Sprache haben – und wann Ihr welche einsetzen solltet.

Der Nutzen inkludierender Sprache – wieso eigentlich?!

Die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens ist die Sprache.

Karl Marx, 1818 – 1883

Sprache erschafft Assoziationen und Bilder in unseren Köpfen. Bei Wörtern, die im generischen Maskulinum geschrieben stehen, werden Studien zufolge vor allem Bilder von männlich gelesenen Personen assoziiert. Beispiele hierfür sind  „Blogger”, „Journalist” oder „Kleinkünstler”. Daher ist keine realitätsgetreue Abbildung der Wirklichkeit möglich, da das generische Maskulinum doch nicht so generisch ist, wie viele annehmen.

Ein Vorteil, der somit sehr auf der Hand liegt, ist, dass ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch es möglich macht, jede*n anzusprechen. Auch werden dadurch stereotype Denkmuster, die gefühlt auf das Jahr 1823 zurückgehen, abgelegt. Ob wir uns unter dem Wort „Blogger” eine männlich oder weiblich gelesene oder nicht binäre Person vorstellen, hat unterbewusst viel mit dem Kontext drumherum zu tun. Ein Blogger, der über die 273 meisten Fehler beim ultimativ-krassen Muskelaufbau aufregt, erzeugt andere Bilder als eine bloggende Person, die sich mit der Wichtigkeit von gendergerechter Sprache befasst.

Aber Ihr, Ihr befasst Euch damit – sonst würdet Ihr den Artikel hier ja nicht lesen. Und schwupps: sind wir schon direkt beim Haupt(-doppel)punkt dieses Blogbeitrags 😉

Gendern von Binnen-I bis Gendersternchen

Starten wir nun erstmal mit den absoluten Basics des Genderns. Grob gesagt kann man in etwa vier Arten der gendergerechten Sprache unterteilen: die Sichtbarmachung weiblicher Personen durch Paarnennung und Binnen-I, die Verwendung von neutralen Formen sowie Genderzeichen. Welche Möglichkeiten sich hier offenbaren, möchte ich im Folgenden zeigen.

1. Die Paarform

Beispiele:

  • Bloggerinnen und Blogger
  • Blogger/innen

Diese Art ist womöglich die am einfachsten verständliche und weit verbreitetste Schreibweise. Wenn man bei dem Wort „Kollegen” bleibt, würde es in Paarform „Kolleginnen und Kollegen” heißen. Auch für alle Faulpelze unter uns gibt es gute Nachrichten, denn es gibt auch die Kurzschreibweise „Kolleg/innen”. Yeah! Zu erwähnen ist, dass es noch mehr Grund zum Jubeln gibt, denn beide Schreibweisen sind dudenkonform. Aber auch hier gibt es ein Problem, leider werden hier nur Menschen angesprochen, die sich als männlich oder weiblich identifizieren und nicht diverse oder nicht binäre Personen.  Beim Recruiting ist es daher auch gesetzlich vorgeschrieben Stellenausschreibungen genderneutral zu formulieren. Ihr kennt das, denn das sieht meistens so aus: m/w/d.

2. Das Binnen-I

Beispiele:

  • BloggerInnen

Das Binnen-I ist ein alter Hase  im Bereich der gendergerechten Sprache. Bereits in den 1980ern waren Schreibweisen wie „KollegInnen” oder „ArbeitgeberInnen” kein absolutes Neuland mehr. Wird daher eine ältere Zielgruppe angesprochen, macht man hier sprachlich definitiv nichts falsch. Wenn der Fokus jedoch eher auf barrierefreien Schreiben liegt, ist das Binnen-I weniger empfehlenswert, da es recht schnell mit dem  kleinen L verwechselt werden kann, den Lesefluss dadurch stört und wenig sinnvoll von Screenwritern wiedergegeben wird. Ein weiterer Nachteil, welchen wir schon bei der Paarform kennengelernt haben, ist, dass nur Männer und Frauen adressiert werden.

3. Neutrale Formulierungen

Beispiele:

  • Bloggende
  • Personen, die Blog schreiben

The best of both worlds hat man meiner Meinung nach durch das Nutzen von Ausdrücken, bei denen das Geschlecht gleichgültig ist. Beispiele wie „Studierende“ oder „Interessierte“ schaffen Gleichbehandlung aller Geschlechter und beeinflussen den Lesefluss nicht negativ. Auch das Nutzen von „Kontakt“ statt „Ansprechpartner“ oder „Fachkraft“ statt „Fachmann“ sorgt nicht dafür, dass Menschen wie Heine oder Brecht im Grabe rotieren. Barrierefreiheit ist dadurch ebenso gegeben, insbesondere wenn die Begriffe schon weitläufig genutzt werden. Leider ist es jedoch nicht immer möglich, Sätze komplett neutral zu formulieren.

4. Gap, Gendersternchen und Doppelpunkt

Beispiele: 

  • Blogger_innen 
  • Blogger*innen
  • Blogger:innen

Wörter dieser Art sehen für viele beim ersten Hinsehen noch etwas gewöhnungsbedürftig aus, allerdings verbirgt sich dahinter einiges, das nicht zu unterschätzen ist. Es wird optisch eine Lücke zwischen Männern und Frauen geschaffen, die Platz macht für all die Fülle an Geschlechtern, die darüber hinaus existieren. Dies geschieht auf eine platzsparende Art und Weise, die insbesondere von einer jungen und weltoffenen Zielgruppe gut verstanden wird. Welches Symbol nun genutzt wird, hängt am Ende des Tages vom persönlichen Empfinden ab.

Es gibt jedoch einige Deutungen der Symbole. Besonders die queere Community präferiert den Genderstern, da er die geschlechtliche Diversität symbolisch besser  repräsentiert, als der klassische Doppelpunkt oder der Strich. Wie sieht es jedoch auch hier mit Barrierefreiheit aus? Stand jetzt sind alle Schreibweisen nicht dudenkonform und können Verwirrung bei Menschen auslösen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die Texte mittels Brailleschrift lesen oder sich von Audiotools vorlesen lassen.

Fazit

Die Möglichkeiten des Gendern sind scheinbar so endlos, wie die Rechtschreibregeln des Dudens selbst. Wichtig ist es daher, sich immer zu fragen, welche Zielgruppe mein geschriebenes oder gesprochenes Wort erreichen soll. Sind es jüngere oder ältere Menschen? Möchte ich, dass mein Text in Einfacher und Leichter Sprache verstanden werden kann? Muss ich mich zwingend an die Vorschriften der deutschen Rechtschreibung halten?

Zu guter letzt daher noch ein paar Tipps, die das Nutzen von geschlechtssensibler Sprache vereinfachen können:

  • Nutzt Genderwörterbücher, wenn Ihr Euch bei Begriffen unsicher seid. 
  • Sucht nach Synonymen im Duden. 
  • Versucht’s einfach! Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt. 
  • Und: Kennt Eure Zielgruppe!

Dieser Blogbeitrag zeigt, dass es (noch) nicht die eine Lösung gibt, mit der Gendern nach Schema F richtig funktioniert. Daher mein Appell an Euch, seid mutig im Umgang mit Sprache. Probiert Verschiedenes aus und nutzt Eure sprachlichen Möglichkeiten situationsabhängig. Die positive Konsequenz aus Eurem bewussten Sprachgebrauch wird sein, dass sich Menschen in Eurem Umfeld angesprochener und repräsentierter fühlen. Und angesprochene Kund*innen sind doch gute Kund*innen, oder? An dieser Stelle schaut auch sehr gern beim Blogbeitrag zum Thema Diversity im Marketing vorbei, hier gibt es noch weitere Tipps zur guten Umsetzung.

Den Stil verbessern, das heißt den Gedanken verbessern.

Friedrich Nietzsche 1844 – 1900

Lasst uns zu guter letzt gern mit dem Umfragetool wissen, ob Ihr selbst gendersensible Sprache nutzt. In den kommenden Wochen kommen noch mehrere Beiträge zum Thema Gendern im Marketing und Barrierefreiheit. Stay tuned!

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Autorin: Ottilie Wied.

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